Schwarzkittel in Stadt und Land



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Ständig wird in den Medien über die wachsende Anzahl von Wildschweinen berichtet, die inzwischen sogar bis an die Stadtränder vorgedrungen sind. Einst war es nur das Klagen der Landwirte, deren Äcker, Felder und Wiesen durch die emsigen Wühlarbeiten beschädigt wurden. Nun sollen sogar Vorgärten von den Verwüstungen betroffen sein, denn die Schwarzkittel sind unweigerlich auf dem Vormarsch, oder zutreffender: Auf der Flucht.
Familienbande
In jeder Wildschweinrotte herrschen vorgegebene Strukturen, genauso wie bei vielen anderen Arten von wildlebenden Tierrudeln auch. Das Recht für Nachwuchs zu sorgen haben nur die Leitbache und der ranghöchst Keiler. Die restlichen Mitglieder des tierischen Familienverbandes müssen warten bis ein höherwertiger Platz in der Gruppe frei wird und kommen erst dann in die Reihenfolge der Fortpflanzung. So reguliert sich der Bestand innerhalb einer intakten Wildschweinrotte.

Treibjagd ohne Selektion
Bei einer Treibjagd kann bei panischer Flucht der Wildschweinrotte von den Jägern überhaupt nicht selektiert werden, ob es sich um eine Leitbache handelt oder nicht. Da die meisten Jäger bei einer Treibjagd ohnehin auf alles schießen, was annähernd nach Wildschwein aussieht, ist es möglich ein sozial, natürlich strukturiertes Rudel bereits mit der ersten Kugel zu zerstören. Wird dabei die Leitbache getötet, ist das hierarchische Gefüge zerstört und der Keiler deckt dann alle fortpflanzungsfähigen Sauen der Rotte. Eine immense Anzahl an Jungtieren (Frischlinge) sind die unausweichliche Folge. So konnten sich die Bestände in den vergangenen Jahren geradezu multiplizieren.

Kirrplätze gegen Flurschäden
Doch dies ist nur ein Grund für ständig ansteigende Wildschweinbestände. Behörden müssen bislang an die Bauern, für entstandene Wildschweinschäden auf Agrarflächen, Ausgleichszahlungen leisten. Jäger hofften durch zusätzliche Fütterung (Kirrung), die Wildschweine in den Wäldern zu halten. Sie legten sogenannte Kirrplätze (Futterstellen) im Revier an und füttern dort die Tiere mit Mais und anderen schmackhaften Leckerbissen. Durch dieses Überangebot an leicht zugänglichem Futter konnten viele Wildschweine überleben, die unter natürlichen Bedingungen nur wenig Chancen gehabt hätten. Kranke und schwache Tiere kamen ebenfalls durch den Winter und die Anzahl stieg stetig. Normalerweise bekommt eine Leitbache pro Jahr cirka vier bis fünf Junge. Nur die Hälfte davon überlebt., bei einer natürlichen Auslese durch die Natur. Sind die Lebensbedingungen und zusätzliches Futter besonders gut, dann hat eine Leitbache auch zweimal im Jahr einen Wurf Frischlinge. Nur durch milde Winter allein, lässt sich das Anschwellen der Wildschweinbestände nicht erklären.


Foto: sxc.hu

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Problemlöser Flinte
Doch diese Erkenntnisse sind nicht neu! Wildbiologen und Fachleute deckten die Zusammenhänge längst auf und machten diese auch publik. Doch davon will die schießfreudige Jägerschaft nichts wissen. Auch nicht, nachdem diese wissenschaftlichen Erkenntnisse in der auflagenstärksten Ausgabe einer deutschen Jagdzeitschrift veröffentlicht wurden. Ein Grund zur Umkehr der bisherigen Methoden ist noch in weiter Ferne. Verwundern mag das nicht! Viele Jagdpächter, Hobbyjäger und Politiker bekleiden genau diese Ämter, die eine Änderung herbeiführen könnten. Mehr als 90% der bundesdeutschen Jäger praktizieren die alljährliche, blutige Hatz in Wald und Flur als Hobby und aus Spaß am Schießen. Von Wildbiologen haben sie meist wenig Ahnung und vielleicht auch kein Interesse daran. Für sie zählt nur, was vor die Flinte kommt.
Waldpflege mit dem Rüssel
Durch die lange Jagdzeit wurden die Wildschweine sehr vorsichtig. Tagsüber verbringen sie die meiste Zeit in unzugänglichem Dickicht. Erst in der Dämmerung strömen sie aus, um Futter zu suchen. Die geringste Störung veranlasst die Wildschweinrotte zur Flucht. So vertreiben die Jäger die Schwarzkittel aus ihrem ursprünglichen Lebensraum Wald. Dabei erfüllen gerade die Schweine in unseren kränkelnden Wäldern eine sehr wichtige ökologische Aufgabe. Mit ihren Rüsselschnauzen lockern sie den Waldboden auf und verbessern so die Böden. Neue Keimlinge können dort leichter sprießen und Wurzel fassen. Doch diese kostenlose Waldarbeit ist nicht unbedingt erwünscht. Unsere Wälder sind inzwischen lediglich zum Wirtschaftsraum Nutzwald degradiert worden um möglichst viel Profit damit zu erzielen. Im Laufe von Jahrzehnten wurde das einstige Ökosystem Mischwald systematisch in schnell wachsende, pure Fichtenplantagen umgestaltet. Den Borkenkäfer freut es. Die chemische Industrie auch, wenn anschließend dafür tonnenweise Schädlingsbekämpfungsmittel zur Borkenkäferbekämpfung geordert werden.
Intelligent und scheu
Wildschweine sind intelligente Tiere und suchen sich lieber ruhigere, jagdfreie Gebiete. In den Vorstädten, Stadtrandgemeinden und Schrebergärten finden die ansonsten scheuen Tiere genau das, wonach sie gesucht haben. Dass sie dort von den Anwohnern nicht immer willkommen sind, ruft wiederum die Jäger auf den Plan und der Teufelskreis schließt sich aufs Neue. In den Medien wird dann von einer enormen Wildschweinplage berichtet, die sogar vor der Nähe des Menschen nicht mehr halt macht und eingedämmt werden muss.

Mal so gesehen...
Im Übrigen könnte ein so dicht besiedeltes und relativ reiches Land wie die BRD erfreut sein, wenigstens noch eine ansehnliche Anzahl von "wilden" Tieren aufzuweisen. Die aufgetretenen Schäden, die durch eine angeblich viel zu hohe Anzahl von Wildschweinen auf Äckern, Wiesen und Feldern dokumentiert werden, stehen in keinem Verhältnis zu den Umweltschäden, die Tag für Tag durch den Menschen verursacht werden.

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Quelle:
Text: eka

Diesen Beitrag habe ich der Mitgliederzeitschrift (Ausgabe November 2010) des unten angegebenen augsburger Tierschutzvereins entnommen.

ATTIS

Aktionsgemeinschaft der Tierversuchsgegner und Tierfreunde in Schwaben e.V.
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